Die gute Beratungsbeziehung wird gemeinhin als eines der wesentlichen Kriterien für eine gelingende Beratung angesehen: „Die Beratungsbeziehung ist das entscheidende Medium, von dessen Qualität ganz wesentlich abhängt, ob sich der [Berater …] auf Veränderungsprozesse einlassen kann. […] Beziehungen brauchen Zeit. Es beginnt mit dem ersten Kontakt, führt zu einer Begegnung (Erstgespräch, Kontrakt) und mündet in eine Arbeitsbeziehung.“[1]
Die der systemische Ansatz geht dabei davon aus, das Menschen grundsätzlich kooperativ sind und an positiven Veränderungen interessiert. Fachleute haben insofern die Verantwortung, die Beziehung so zu gestalten, dass Kooperation gelingt. Zugespitzt formuliert De Shazer in diesem Sinne: „Just don´t disturb it.“[2]
Dabei reicht es zur Herstellung einer guten Beratungsbeziehung nicht, den Klienten lediglich das Gefühl für eine gute Beziehung zu geben, sondern es kommt darauf an, als Berater tatsächlich „eine gute Beziehung, das heißt Respekt, Anerkennung und Verständnis für den anderen zu entwickeln. […] Erst wenn er selbst den anderen ernst nehmen kann, kann er auch beginnen, ihm dies vermitteln zu wollen – und erst dann wird ihm das sein Gegenüber auch glauben.“[3]
Eine gute Beratungsbeziehung entsteht somit wesentlich als Folge einer ernstnehmenden Haltung: „Einen anderen Menschen ernst zu nehmen bedarf mehrerer Qualitäten. Wir müssen:
- das Recht des anderen anerkennen, seine individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle zum Ausdruck zu bringen.
- Lernen, die Bedürfnisse und Gedanken des anderen aus seiner eigenen Perspektive zu betrachten.
- uns auf seinen Ausdruck konzentrieren, damit wir uns besser in seine Situation hineinversetzen können, und nicht, um Beweise gegen ihn und seine Wünsche zu sammeln.
- seinem Verhalten mit Verständnis begegnen und unsere eigene Position ernst nehmen.“[4]
Über die grundlegende Haltung hinaus gibt es weitere hilfreiche Ansätze, einen Beziehungsaufbau (besonders am Anfang eines Beratungsprozesses) zu fördern, z.B.[5]:
- positives Setting gestalten (störungsfreier Raum, zugewandte Sitzordnung etc.),
- kurze Vorstellung des Beraters und der Institution,
- etwas Smalltalk: „Wie war der Weg? Haben Sie uns gut gefunden?“,
- nicht sofort über Probleme reden, sondern sich zuerst über Interessen, Ressourcen, Beruf, … kennenlernen,
- explorierendes und „interessiertes Nachfragen“,
- Wiederholen,
- Spiegeln,
- Zusammenfassen,
- auf para- und nonverbale Signale achten.
Verhaltensweisen, die dagegen den Beziehungsaufbau stören, sind z.B.[6]:
- Ratschläge: „Ich finde, du solltest..“ „warum hast du nicht …?“
- Noch eins drauf setzen: „Das ist ja noch gar nichts; hör erst mal, was mir passiert ist …“
- Belehren: „Du musst das beim nächsten Mal nur folgendermaßen machen …“
- Geschichten zum Besten geben: „Das erinnert mich an die Begebenheit …“
- Über den Mund fahren: „Lass dich nicht so hängen, lach mal wieder.“
- Bemitleiden: „Ach, du Armer…“
- Verhören: „Jetzt sag mir mal ganz genau, warum du das so getan hast …“
- Verbessern: "So ist das nicht gewesen …“
[1] Richter, Kurt F. (2012): Coaching als kreativer Prozess: Werkbuch für Coaching und Supervision mit System und Gestalt. 3. Aufl., Göttingen, S. 94.
[2] Aus: Berg, Insoo Kim / De Shazer, Steve (2009): Kurzzeittherapie – von Problemen zu Lösungen. DVD, Mülheim, Baden.
[3] Herwig-Lempp, Johannes (2002) - Beziehungsarbeit ist lernbar. Systemische Ansätze in der Sozialpädagogischen Familienhilfe. In: Pfeiffer-Schaub, Hans-Ulrich (Hg.): Systemische Praxis: Modelle-Konzepte-Perspektiven. Freiburg, S. 39-62.
[4] Jesper Juul (2019): Dein kompetentes Kind. 16. Aufl., Reinbeck bei Hamburg, S. 153f.
[5] Vgl.z.B.: Grolimund, Fabian (2017): Psychologische Beratung und Coaching: Lehr- und Praxisbuch für Einsteiger. 2., unveränd. Aufl., Bern.
Plate, Markus (2015): Grundlagen der Kommunikation: Gespräche effektiv gestalten. 2., durchg. Aufl., Göttingen.
[6] Vgl. Rosenberg, Marshall B. (2016): Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens. 12., überarb. u. erw. Aufl., Paderborn, S. 97
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